Weiß, Rot oder Blau? Neue Farbe – neues Glück?
Es waren einmal sechs junge Kreative in ihren Zwanzigern, die den Weinmarkt revolutionieren wollten. Sie nannten sich Gïk – mit einem feschen Trema auf dem i – und zogen aus, um die Welt mit ihrem „blasphemischen Getränk“ umzukrempeln. Sie entwickelten einen blauen Wein, der sich allerdings laut EU Weinbeamten nicht Wein nennen darf. Technisch hat das Produktionsverfahren nach den Experten rein gar nichts mit Wein zu tun. Es läuft daher unter dem Label „Andere alkoholische Getränke“. Aber die Kreativen, die alle auch nichts mit Wein zu tun haben, wollten beharrlich mit Traditionen brechen, keine große Philosophie um ihr Getränk stricken, sondern den Konsumenten puren Spaß am Genuss bieten.
So weit so gut – Mal abgesehen davon, dass Weingenuss überhaupt nichts Kompliziertes ist und wohl nur von denen, die ihn ungern trinken als verstaubt angesehen wird. Die traditionelle Herstellung von Wein macht das Trinken nicht kompliziert, sondern der Fachjargon und das Getue rund um das Thema Wein. Wer das nicht mag, lässt es bleiben und trinkt einfach. Wein schmeckt oder Wein schmeckt nicht. Ziemlich simpel, oder? Mir ist also gar nicht richtig klar, was es am Weingenuss und vor allem am Produkt selbst zu revolutionieren gibt. Die Stempel neu, anders und jung allein haben wenig Überzeugungskraft.
Gik verschleiert leider auch welche Trauben genau zur Herstellung verwendet werden und pfeift ganz revolutionär auf Transparenz. Bei ihrem kreativen Verfahren entstand ein Getränk mit 11,5 Prozent Alkohol, das am Ende nur noch entfernt an Wein erinnert. Der extreme Zusatz von Farbstoff und Süßungsmitteln ist so enorm, dass es die Bezeichnung Wein nicht mehr verdient. Es ist eigentlich sehr unmodern von Gik, aus einem hochwertigen Naturprodukt, so ein künstliches Gebräu zu machen.
Wir haben ihn probiert!
Wir haben Gik tapfer im Miomente-Büro getestet. Ganz unvoreingenommen. Es gab Ablehnung und Skepsis, aber genauso Spaß und Experimentierfreude. Das leuchtend blaue Getränk sieht ganz lustig aus, mag auf Dachterrassen Sommerlaune verbreiten und Entdeckergeist wecken. Optisch erinnert die blaue Flüssigkeit mich eher an Zeiten, in denen man Long-Drinks mit Blue Curacao aus hohen Gläsern mit gezuckertem Rand getrunken hat und wirkt weniger hip als gewünscht.
Zum Geschmack lasse ich Wein-Blogger und Winzer Dirk Würtz sprechen: „Der Wein ist trinkbar, wenn man schon leicht einen sitzen hat und auf Mallorca oder Ibiza weiter vorglühen will. Mit Wein und Weingenuss hat das nur am Rande zu tun. Er ist ein lustiges Partygetränk, aber besoffen werden geht auch stilvoller und mit mehr Geschmack.“
Jeder wie er mag! Probiert es aus, wenn euch der blaue Tropfen begegnet. Er ist ein nettes Gimmik und vielleicht schmeckt er dem ein oder anderen ja auch. Aber unser Fazit ist und bleibt: die Weinwelt muss nicht revolutioniert werden und schon gar nicht von den jungen Wilden und einem Wein, der keiner ist.
